Statement BüfA und BI WAA NAA: Zur Verbrennung von sogenanntem „freigemessenem Atommüll“ in der Müllverbrennungsanlage Schwandorf

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Statement – 17. August 2020

Bündnis für Atomausstieg und Erneuerbare Energien Regensburg (BüfA) und Bürgerinitiative gegen atomare Anlagen Weiden-Neustadt/WN (BI WAA NAA)
zur Verbrennung von sogenanntem „freigemessenem Atommüll“ in der Müllverbrennungsanlage Schwandorf

Als Sprecher*innen ihrer Bürgerinitiativen nehmen wir, Petra Filbeck BüfA und Hilde Lindner-Hausner BI WAA NAA  Stellung zu den  Presseberichten der vergangenen Tage, welche z.B.  in der Mittelbayerischen Zeitung, sowie Oberpfalzmedien Der Neue Tag und onetz zum Thema Verbrennung von sogenanntem „freigemessenem Atommüll“ in der Müllverbrennungsanlage Schwandorf erschienen waren.

Als Intitator*innen eines Offenen Briefes an die Landrät*innen von Regensburg und Neustadt/Waldnaab, sowie die Oberbürgermeister*innen von Weiden und Regensburg wurden wir in den Presseveröffentlichungen erwähnt und darin teilweise durch die befragten Personen aus den verantwortlichen Stellen angesprochen bzw. kritisiert. Darauf wollen wir nun reagieren. Auch möchten wir nun den Stand der Erkenntnisse aus den erhaltenen Antworten von Seiten des Müllzweckverbandes Schwandorf und von den angesprochenen Landkreisen und Städten, bzw. aus unseren eigenen weiteren Recherchen zusammenfassen.

Für uns ist das Freimessen von Atommüll und dessen Behandlung nicht erst seit kurzem ein Problem, da dies erst mit der Novellierung der Strahlenschutzverordnung 20.07.2001 gesetzlich erlaubt wurde. Jetzt liegt unser Fokus auf der Müllverbrennung. Gleich als bekannt wurde, dass im Müllkraftwerk Schwandorf neben freigemessenem Atommüll aus dem eigenen Zweckverband (AKW ISAR 1 u.2), auch Atommüll von außerhalb, nämlich aus dem AKW Grafenrheinfeld verbrannt wird, wurde die BüfA tätig. BI WAA NAA schloss sich an.

Mittlerweilen gingen Antwortschreiben auf den Offenen Brief von den angeschriebenen Landräten und Oberbürgermeistern (urlaubsbedingt teilweise von deren Vertretern) bei uns ein. Von Seiten des Müllzweckverbandes Schwandorf beantwortete Müllzweckverbandsdirektor Herr Knoll in zwei Briefen die Fragen, die die BüfA an ihn gerichtet hatte.

Wir stellen fest: Unsere Anliegen wie größtmöglichste Schutz der Bevölkerung, sowie speziell der betroffenen Arbeitnehmer*innen vor radioaktiver Strahlung, sorgfältigster und vorsichtigster Umgang mit Atommüll sowie umfassende Messungen und bestmögliche Transparenz, werden in den eingegangenen Antworten nicht gewürdigt.

 

Im Gegenteil, weitere Fragen allgemeiner und spezieller Art stellen sich:

  • warum wird Radioaktivität generell nicht gemessen?
  • wird angelieferter Müll mit einem Strahlenmessgerät kontrolliert? Wenn nicht, kann dann radioaktiver Müll einfach eingebracht werden, ohne dass dies erkannt wird?
  • warum tragen die Beschäftigten keine Dosimeter?

 

Zusätzlich ist uns beim Vergleich der Messwerte anderer Müllverbrennungsanlagen aufgefallen, dass dort weit mehr Schadstoffe gemessen und die Messwerte veröffentlicht werden als in Schwandorf:

 

  • wieso misst man kein Quecksilber, wenn es doch gesetzlich vorgeschrieben ist und andere Müllkraftwerke veröffentlichen Quecksilbermesswerte?
  • wieso misst man keine Schwermetalle wie Blei, schon der Hausmüll kann doch immer wieder Belastungen dieser Art haben?
  • werden diese Stoffe nun gar nicht gemessen, oder werden sie gemessen und nicht veröffentlicht?
  • was ist mit den anderen Stoffen, die in den Hausmüll wandern und aus dem Gewerbemüll kommen, der vom Müllzweckverband bekanntzugebende Emissionsdatenbericht zeigt nur Messwerte für die Stoffe – HCl, SO2,  C0, C, Staub sowie NO2, werden sie nicht gemessen oder werden sie nicht veröffentlicht?

 

Sowohl in den Antworten, als auch in den Presseberichten  wird die Praxis des Freimessens von Atommüll nicht in Frage gestellt, weil sie gesetzlich geregelt sei. Gesetze und Regelungen und deren Anwendung kann man ändern, wenn es geboten ist, deshalb ist aus unserer Sicht Zweifel daran erlaubt und von Strahlenschutzexperten wie u.a. Dr. Alex Rosen, Oberarzt der Berliner Charité und Vorsitzender des IPPNW begründet.

Erst im März zeichneten wir Bürgerinitiativen gemeinsam mit vielen anderen Antiatomgruppen einen offenen Brief der Atommüllkonferenz an die Mitglieder der Umweltministerkonferenz. Der gesamte Inhalt des Briefes ist hier nachzulesen: http://www.atommuellkonferenz.de/wp-content/uploads/Offener-Brief-2-an-die-UmweltministerInnenkonferenz.pdf.
Er trug die Überschrift Aufnahme eines Tagesordnungspunktes für die nächste Umweltministerkonferenz (UMK):

„Umgang mit der Freigabe nach § 29 (alt) / § 31 (neu) der Strahlenschutzverordnung“
Aus dem Brief:……….
Die wesentlichen Kritikpunkte sind: Die dafür zugrunde gelegten Daten und Berechnungen

sind nicht nachvollziehbar, da Ausgangsbasis und Rechenvorgang nicht offengelegt sind;

sie beruhen auf veralteten Annahmen und Daten und entsprechen nicht dem Stand von

Wissenschaft und Technik; die Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung durch radioaktive

Strahlung und radioaktive Stoffe, gerade auch im Niedrigstrahlungsbereich, ist zu optimis-

tisch angesetzt und muss neu bewertet werden…..

 

Bereits seit Jahren werden radioaktive Reststoffe aus Atomanlagen nach §29 / § 31 der

StrlSchV freigegeben. Aus dem Abbau der Atomkraftwerke – weitere Atomanlagen nicht

mitgerechnet – sind in Deutschland mehrere Millionen Tonnen Müll zu erwarten, die als

„freigemessene“ Abfälle auf Deponien, in Verbrennungsanlagen und zum allergrößten Teil

zur freien Verwertung in die Umwelt verteilt werden sollen und dann nicht mehr rückholbar

wären…..


Die Delegierten des 120. Deutsche Ärztetags haben sich in einer Entschließung gegen die

Freigabe gering radioaktiven Atommülls ausgesprochen und vor der Verharmlosung möglicher Strahlenschäden gewarnt…

IPPNW und BUND haben sich ebenso gegen die praktizierte Freimessung radioaktiver Stoffe positioniert.

Das unterstreicht unser Vorgehen, genau hinzusehn und nicht etwa leichten Entschlusses froh zu sein, wie Landrat Ebeling in gleich zwei Presseartikeln in der MZ sich über uns wundert: (Zitat)“ wir müssen doch froh sein über alles, was wir aus dem Rückbau gut entsorgen können“….“, ein Endlager zu finden wird schwer genug“

 

Wir glauben nicht, dass es viele Bürger*innen in politischer Funktion in unserer Region gibt, die sich ähnlich viel mit dem Thema Atommüll und Endlagerung beschäftigt haben. Dass wir uns mit diesem Thema auseinandersetzen müssen hat uns die falsche Atompolitik der 60er und 70er Jahre beschert. Nie wurde ernsthaft nach einer sicheren Endlagerstätte gesucht, maßgeblich entscheidend war die Bevölkerungsdichte und mögliche Grenznähe. In Gorleben musste man so tun, als ob, weil nur während eines Endlagersuchverfahrens AKW weiterbetrieben werden dürfen.

Ja es wurde und wird von uns als Antiatominitiativen immer wieder betont, dass nach dem Abschalten der Atomkraftwerke immense Kosten entstehen werden. Würden diese jetzt schon bestehenden Kosten auf den Stromkunden umgelegt werden, wäre der Strom der vergangenen Jahrzehnte mindestens 3- mal so teuer gewesen.

Es ist gängige Praxis, Radioaktiv kontaminiertes Material wie z. B. Schutzanzüge in einer Tonne mit anderen nicht kontaminierten Abfällen so lange zu mischen, bis die gesetzlichen Grenzwerte unterschritten werden. Somit dürfen diese Abfälle wie gewöhnlicher Gewerbemüll verbrannt werden. Dies reduziert die Radioaktivität nicht, sondern macht nur den Umfang geringer. Das dieses Wissen in der Oberpfalz um gleichmäßige und möglichst unauffällige kostengünstige Verteilung in unserer Umwelt nach dem Ende der WAA verloren gegangen ist, lässt uns, die sich weiter damit beschäftigt haben, erstaunen. Noch am Anfang der Praxis des „Freimessens“ dachten wir, dass wir die Gefahr bei uns in Schwandorf nicht sehen, da die Region so viel Grundausbildung im Thema Radioaktivität hätte und dies auch an Verwaltung und Politik nicht vorbeigegangen sein dürfte. Verbandsdirektor Knolls Aussage in einem Zeitungsartikel, dass dies keineswegs geheim sei, interessierte Bürger könnten sich jederzeit auf den Internetseiten von Bürgerinitiativen informieren, empfinden wir als Ablenkungsmanöver, denn wir im Ehrenamt tätige sind nicht verpflichtet Detektiv zu spielen, der ZMV hingegen ist gesetzlich zur transparenten Veröffentlichung der Daten verpflichtet. Warum er dann auf  unsere Anschreiben hin so ungenau antwortete, ja auch noch schreibt, dass eine detailliertere Auskunft für uns als BüfA Regensburg kostenpflichtig sei, ist fraglich. Nach unserem derzeitigen Kenntnisstand wurden auch die Verbandsmitglieder zu keiner Zeit über die  Annahme von freigemessenem Müll aus Atomkraftwerken informiert.

 

Grenz- bzw. Risikowerte sind politische Werte – aus medizinischer Sicht gibt es keinen Schwellenwert, unterhalb dessen radioaktive Strahlung nachweislich nicht gesundheitsgefährdend ist. Deshalb kann es kein Freimessen geben und jegliches strahlendes Material aus Atomkraftwerken darf nicht aus der atomrechtlichen Verantwortung entlassen werden!

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